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07.11.09

06.04.09 Sich entscheiden: Hosianna, meine Palme!

Weihnachten ist einfach. Es gibt ein festgelegtes Datum, an dem die Glocken läuten und die Nacht still und heilig ist. Und es gibt so etwas wie einen fern hin vernehmbaren Startschuss, ab dem dekoriert und gebacken wird. Mit der ersten Kerze am Adventskranz besinnen sich die Alten und singen die Jungen. Die Kaufwut steigert sich bis kurz vor Ladenschluss und die Stunde um den Tannenbaum ist exzentrisch feierlich, weil die Geschäfte tatsächlich zu haben. Nicht einmal an der Tanke gibt es noch etwas. Die Menschen versammeln sich in den Kirchen und hören das Evangelium nach Lukas im zweiten Kapitel, die Verse eins bis einundzwanzig. Dann gehen sie nach Hause und essen gut und trinken gut und es ist Bescherung.

Ostern ist bedeutend schwieriger. Das Kollektiv fehlt. Die Massen-Entscheidung, nun gemeinsam den Einzug nach Jerusalem zu feiern. Was war los gestern? Ich habe es verpasst, die Ankunft des Heilsbringers zu begehen. Ich habe gewartet, ein Jahr lang, und jede Woche meine Palme gegossen. Dann sagte die neue Regionalbischöfin Dr. Dorothea Greiner gestern, sie verwahre sich gegen eine triumphierende Kirche, die sich nach Palmwedeln und Rampenlicht sehnt. Da stehe ich nun und die Blätter meiner Palme hängen tieftraurig nach unten. Was war das noch schön, damals, als Kind. “Jesus zieht in Jerusalem ein, Hosianna!” sangen wir. “Alle Leute fangen auf der Straße an zu schrein” - verkündender Liedtext ab der ersten Strophe. Heute sei die lutherische Frömmigkeit eine Abendmahls-Frömmigkeit, ließ die Regionalbischöfin gestern verlauten. Und, nichts auf der Welt helfe mehr und nichts verändere die Welt mehr, als der Friede mit Gott. Da bin ich nun gespannt auf den kommenden Donnerstag, dem historisch terminierten Abendmahls-Tag. Ich werde einen Gedenktag daraus machen. Und meine Palme ein weiteres Jahr gießen.

03.04.09 Die Woche, in der es nichts zu entscheiden gab

Ein Rückblick: Politisch betrachtet gab am Montag Hartmut Mehdorn seinen Rücktritt bekannt und Rüdiger Grube wird seit gestern als dessen Nachfolger gehandelt. Angela Merkel wetteifert in London mit Nicolas Sarkozy um die beste Position bei der Kontrolle der Finanzmärkte und die Nationalelf gewinnt (am Mittwoch) in Cardiff gegen Wales mit 2:0. Bei uns in der Straße gewannen die Mädels.

Der Frühling brach aus, just am Tag des Rücktritts des DB-Chefs. Die Temperaturen kletterten von Bodenfrost auf Übergangsjacke. Meine Jüngste war versucht, kurze Hosen aus dem Schrank zu zerren. Dann entschieden sich die Kinder für Street-Hockey und rissen im Schupfen den Grill samt dem Sack Holzkohle und dem Kanister für Rasenmäherbenzin nieder. Dafür waren die Schläger draußen. Und sie gewannen. Moralisch. Ich war Schiedsrichter.

Die Mannschaften waren von Anfang an ungleich: zwei Jungs gegen drei Mädchen, darunter drei türkische Kinder und zwei deutsche. Die zwei Jungs fegten die Mädchen mit 5:0 vom Platz. Aber: die Mädels schafften es durch Leidenschaft und Teamgeist zwei umliegend anwohnende Väter zu gewinnen und einen weiteren Nachbarn, der mit besseren Schlägern aushalf. Beim Spiel zur Saisoneröffnung galt “Sportsgeist gegen Punktsieg“.

Und weil es so schön war, habe ich meiner noch-fünf-mal-schlafen-dann-bin-ich-sechs-Laura erlaubt, fünf Kinder mehr als geplant zu ihrem Kindergeburtstag einzuladen. Die Gästeliste steigt also von sechs auf elf. Und es könnte sein, es kommt die Zeit, in der ich diese Entscheidung bereue. Ich datiere vor auf den 8. April um 15 Uhr 30. Dann, wenn elf Racker plus meine zwei auf Schnitzeljagd gehen wollen und es (hoffentlich nicht!) regnet.

P.S. Eigentlich gewannen die Jungs 8:0, aber Eigentore zählen nicht, das war so ausgemacht

27.03.09 Sich entscheiden: Für Gott und den Menschen

“Macht mehr Picknick, Millionen von Ameisen können nicht irren”. Das ist die eine Seite. Wer demokratisch betrachtet die Mehrheit hat, regiert. Wer die Mehrheit hinter sich hat, gewinnt Und wer laut einer allerneuesten Umfrage der Mehrheit angehört, glaubt an die Entstehung des Menschen nach Art des Charles Darwin. Demnach erklärten sich 63 % dazu bereit, an einen gemeinsam Ursprung von Mensch und Affe zu glauben. Bleiben die 19 % der Unentschiedenen und die 18 % der Bevölkerung, die nicht an einen gemeinsamen Vorfahren glauben. Also die Minderheit. Einschließlich mir.

Ähnlich sieht das Ergebnis aus, fragt man nach dem, was in der Bibel steht: 61 % glauben nicht, dass der Mensch so geschaffen wurde, wie es in der Bibel steht, sondern aus anderen Lebensformen entwickelte. 19 % haben darüber noch nicht ausreichend nachgedacht und geben keine klare Antwort, 20 % glauben an den Wahrheitsgehalt der Bibel: “Der Mensch wurde von Gott geschaffen, wie es in der Bibel steht.” Also die Minderheit. Einschließlich mir.

Und damit steuere ich, laut der Umfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach, auf dem Kurs jener Katholiken, “die sich damit schwer tun, was die Naturwissenschaftler über die Entwicklung der Arten, über die Entstehung von Pflanzen, Tieren und Menschen herausgefunden haben.” Nun möchte ich die Erkenntnisse der Naturwissenschaftler nicht in Abrede stellen. Ich möchte aber dennoch frei entscheiden können, was ich für mich, respektive meinen Glauben, in Anspruch nehmen will. Und es ist mein Wille, dies nicht zu tun. Ich glaube daran, dass der Mensch allein als Gottes Ebenbild geschaffen wurde. Ich glaube an die Kraft Gottes, die in der Vielfalt der Schöpfung zu erkennen ist und ich glaube an Jesus Christus, den Sohn Gottes. Er lebte hier auf Erden, um die Menschen mit Gott zu versöhnen.

Die Ansicht der Notwendigkeit zur Erlösung des Menschen, fehlt, anders als in den meisten Religionen, gänzlich in der Theorie des gemeinsamen Vorfahren. Für mich ist das Grund genug, diese abzulehnen und die Opposition zu wählen. Ohne die eine Mehrheit nicht funktionieren würde.

23.03.09 Sich entscheiden: Den Absprung schaffen


Um 17:28 Uhr trifft Lea eine Entscheidung: Sie will weiter üben. Bis sie das kann. Am kommenden Sonntag ist ein Wettkampf im Geräteturnen. Die Anforderungen sind diesmal hoch, denn sie muss einen Bocksprung mit Durchhocken schaffen. Alle Kinder, bis auf Lea und ihre Freundin, spielen am anderen Ende der Turnhalle. Noch zwei Minuten und das Training ist vorbei. Anja, die Freundin, springt ein ums andere mal federleicht über den Bock. Sie holt tief Luft, streckt die Arme nach oben, spreizt die Füße ab und nimmt Anlauf. Das Sprungbrett kracht hart gegen den Boden, als sie genau auf der Linie abspringt, den Schwung gekonnt nutzt und auf der anderen Seite des Bocks die Arme wieder hoch streckt.

Dann kommt Lea. Sie atmet hastig, reibt sich fahrig die Hände und vergisst die Streckung. Das Sprungbrett trifft sie ungenau. Auf dem Bock rutscht sie ab, bessert nach und landet unelegant auf dem Weichboden. Parallel zu dem Bock stehen Eltern, die ihre Kinder abholen wollen. Darunter auch ich. Lea, die am Sonntag beim Wettkampf mitmachen will, kenne ich gar nicht. Aber ich drücke ihr die Daumen, dass sie es noch einmal versucht - und die Übung gelingt.

Sie rappelt sich von der Matte auf, zieht ihre Turnhose hoch und stellt sich wieder an. Sie will. Unbedingt. Die Konzentration verzerrt ihr Gesicht. Sie nimmt Anlauf, springt ins Brett - und 2 mm fehlen. “Versuche es noch einmal!” ruft jemand aus der Gruppe der wartenden Eltern. Vielleicht ist das ihr Vater. Auch andere machen ihr Mut: “Lea, probier das noch einmal, du schaffst das!” Die Trainerin gibt nach und Lea eine letzte Chance. “Lea!” stößt ihr jemand kurz und mit viel Kraft entgegen, als sie mit dem linken Fuß zuerst Anlauf nimmt. Sie beißt die Zähne zusammen und hat den Mund leicht geöffnet. Das Kinn hält sie etwas höher als bei den vorherigen Sprüngen. Mit jedem Schritt wird sie schneller. Schiebt energisch mit den Armen, kommt gut auf das Brett und zum allerersten Mal über den Bock. Sie dreht sich um und sieht ihn hinter sich. Etwas zittrig hält sie eine Hand vor den Mund und blickt dann erst zu uns, die ihr zugeschaut haben. Dann lacht sie. Der Mann, der vor 10 Sekunden ihren Namen gerufen hat, nimmt sie in den Arm. Ob Lea am Sonntag den Sprung über den Bock schafft, das weiß man noch nicht. Aber das ist jetzt auch nicht wichtig.

19.03.09 Sich entscheiden: Für die Waffen der Gewaltfreiheit

Winnenden - eine Woche danach. Vielerorts finden Gedenkgottesdienste statt. Auch bei uns am Ort trafen sich Schüler, Eltern und Lehrer katholischer, evangelischer und muslimischer Gemeinden zu einem Gottesdienst für die Opfer der Gewalttat von Winnenden und Wendlingen.

Meine Erwartungen an die Predigt des Gottesdienstes waren hoch. Ich war gespannt, welche Antworten die beiden Pfarrer geben werden. Und ich staunte nicht schlecht, als Epheser 6, ab Vers 10 verlesen wurde. “Die Rüstung gegen die Waffen”, leitete der Geistliche die Auslegung des Textes ein. Dann fasste er zusammen, womit man gegen Hass und Gewalt gut aufgestellt ist:

Mit Wahrheit, Gerechtigkeit, dem Glauben und dem Geist.

Vier Wörter sind das, für die ich mich entscheide. Und die schrecklichen Bilder aus dem Fernsehen fesseln nicht mehr. Die Ängste der Seele bleiben nicht länger eingeschlossen in einer Kapsel, die das brutal Unfassbare um sich zieht. Aufgestoßen vom "Schwert des Geistes" (das ist das Wort Gottes) denke ich an Christus, der die Trauer in seine Hände legt. Fest gehalten im Glauben denke ich Christus, der das Leben über den Tod hinaus erhält. Und ich vertraue der Gerechtigkeit des Christus, der zum Leben geben will, was jeder braucht. Bleibt noch die Wahrheit - in die ich mich verliebe. Die mich befreit.

Der entscheidende Moment für mich in diesem Gottesdienst war allerdings erst dann, als ein Vertreter der muslimischen Gemeinde an das Mikro in der evangelischen Kirche ging. Im gebrochenen Deutsch verlas er eine Rede. Ich habe nicht alles genau verstanden, aber es klang nach Solidarität, Gerechtigkeit und gemeinsamen Werten. Beinahe hätte ich applaudiert.

16.03.09 Sich entscheiden: Die Wahl ist ein Kampf

Mit einem viel zu billigen Block, in abgewetzter Cord-Hose und einem verwaschenen Shirt mit angedeuteter Folklore-Stickerei sitze ich in der ersten Reihe. Die Stickerei ist mir auf einmal peinlich. Türkis geht hier gar nicht - grau oder schwarz wäre besser gewesen. Das einzige, mit dem ich punkten kann, ist meine Foto-Kamera. Genau genommen, nicht einmal damit. Journalisten-Leben in Wahlkampfzeiten. Mein Wasser geht auf den Steuerzahler.

Die Kandidaten reden gut. Sie kennen sich aus, mit den klaren Instrumenten der Eigenständigkeit. Sie wissen um geschlossenes Auftreten und die gefühlte Entfernung zur Bürokratie. Der unternehmerischen Kraft des Mittelstandes vertrauen sie und halten die Reaktionsfähigkeit der Handwerksbetriebe für enorm hoch. Sie wirken souverän. Und nur wenn ich ganz nah ran zoome, kann ich die eine oder andere Sorgenfalte erkennen. Schlusssatz des Tages: “Wir dürfen keine Fehler machen”.

Stimmt. Wir Wähler auch nicht. Zwei Dinge habe ich an diesem Tag begriffen: 1.) Gehe niemals mit einem türkis bestickten Shirt auf eine Wahlkampfveranstaltung mit Promi-Beteiligung. Und 2.) Entscheide dich und geh zur Wahl. Das Kreuz ist wichtig.

13.03.09 Sich entscheiden: Für den Ernst des Lebens

Sie hätte alles gehabt: ein Trampolin, ein Schaukelpferd und einen Sandkasten mit ziegelrot färbendem Sand. Einen Hüpfball, ein Kinderfahrrad und eine Holzeisenbahn. Ein Puppenhaus, einen 24teiligen Malkasten, Knetmasse, Legosteine und eine Playmobil-Sammlung, mit der jederzeit die globale Vernetzung auf und wieder abgebaut werden konnte. Im Kindergarten gab es gesundes Frühstück, einmal in der Woche einen Waldtag und die beste, höchste und wildeste Außenspielanlage im Landkreis. Doch das alles passt ihr nicht mehr. Nur eine Frage beschäftigt die kleine Lady seit Wochen: “Wann holen wir meinen Schulranzen ab und wann werde ich endlich in der Schule angemeldet?”

Pro Forma legte sie sich schon mal eine Federmappe an und plant genau, neben wem sie sitzen wird. Selbst die Pausen sind gut durchorganisiert: die Freundinnen der großen Schwester sollen die besten Plätze auf dem Schulhof reservieren. Auf dem selbstgemalten Stundenplan zieht sie nach 11.20 Uhr einen Strich. Länger dauert der Unterricht in der Ersten ja nicht, denkt sie. Dann allerdings kommt sie nach Hause und kann lesen und schreiben und die großen Geheimnisse des Lebens werden durchschaut. (Die Antwort ist “42“, aber das glaubt sie mir nicht ;o)

Morgen kommt die Patin und waltet ihres Amtes: Das Set, bestehend aus Schulranzen, Turnbeutel, Federmappe, Schlampermappe und Brustbeutel wird abgeholt. Gewählt hat die Lady selbst: eine große Krone musste auf dem Schulranzen sein und mit Edelsteinen verziert. Die Farbe war eher nebensächlich. Gepasst hat sie dann doch: Rosa, Lila, Glitzer. Einmal werden wir noch wach, heißa! - dann ist Schulranzentag!

11.03.09: Sich entscheiden: Die Entscheidung des Pilatus

Es gibt Geschichten, die schreibt man am besten in der Nacht. Noch besser nach einem Theaterabend. Und am allerbesten im diffusen Licht einer neu erworbenen Stehlampe. Sie hat ihren Platz noch nicht gefunden und steht genau an dem Punkt, an dem das Kabel endet. Es liegt gewollt in einer Schlaufe. Das mattierte Gestell der Lampe ist größer als ich und wirft aus einem halbschalen milchigen Glas das Licht an die Decke.

“Da leugnete Petrus abermals und alsbald krähte der Hahn”

In ungesunder Körperhaltung hänge ich quer im Sessel schlage Johannes 18 auf. Gerade so, dass ich noch zur Erdnussdose langen kann.

“Da führten sie Jesus von Kaiphas zum Prätorium” Also zu Pontius Pilatus.

(btw: ich habe vorhin im Theater das Pilatus-Evangelium gesehen; mit einer miserablen Königin Herodias und dem hinreißenden Jürgen Clemens in der Rolle des Jeschua in der 1. Szene, “Die Nacht der Ölbäume”) Aber zurück zu Pilatus: wie hat er diese weltbewegende Entscheidung getroffen?

Ich nehme eine Handvoll Erdnüsse und zerbeiße jede einzeln. Meine Gedanken purzeln dahin: Ein Mann ohne Anklage und ohne Schuld wird dem römischen Präfekt vorgeführt. Denn sie selbst, die Juden, dürfen niemanden töten. Pontius wird beschrieben, als ginge er häufig hinaus und hinein. Er wirkt unruhig. Unentschlossen. Er fragt Jesus selbst, was er getan habe. “Mein Reich ist nicht von dieser Welt”, sagt er. Pilatus unterbricht ihn nicht. Erst später fragt er nach, als Jesus sagt: “Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme”

“Was ist Wahrheit?” fragt Pilatus. Und, als würde ich Johannes 18 zum ersten Mal lesen, glaube ich für einen kurzen Moment tatsächlich, Jesus antwortet darauf. Ich bin wütend auf Pilatus. Er ist wieder nach draußen gegangen - und die Antwort bleibt offen.

Pilatus kommt alleine nicht weiter. Er fragt die anderen: das Volk. Und die wollen den Räuber Barabbas. “Weißt du nicht, dass ich Macht habe, dich loszusagen, und Macht habe, dich zu kreuzigen?” Pilatus ist versucht Jesus zu beschwichtigen. Diese Macht, von der er redet, gebraucht er nicht. Pilatus müssen die Knie gezittert haben, als Jesus sagte, er habe die Macht, die ihm von oben gegeben sei. Der andere, der ihn überantwortet hat, habe die größere Sünde. Pilatus ist daran gelegen, Jesus frei zulassen. Doch seine Entscheidung setzt er nicht um. Er übergibt Jesus den Soldaten, dass er gekreuzigt würde.

Ich kenne keine ähnlich folgenschwere Entscheidung. Hahnebüchern die Hände in eine Wasserschüssel getaucht: “Ich bin unschuldig an seinem Blut, seht ihr zu!“

Ich hätte auch die Finger davon gelassen.

06.03.09. Sich entscheiden: für irgendwas, das bleibt

Letztes Jahr im Advent suchte ich nach einem Weihnachtsgeschenk. Es sollte ausgefallen sein, exquisit, überraschend, einzigartig und unvergesslich. Ich war spät dran und fuhr abends, ein paar Tage vor Heilig Abend, zum Karten-Kiosk. Das heißt, ich kroch endlos langsam im Stop-and-Go bis zum nächstgelegenen Parkhaus, rannte durch den Regen zum Kiosk und stand fünf vor sechs triefend nass am Kartenschalter. Ich kaufte noch zwei Postkarten und steckte in der Papiertüte die beiden Eintrittskarten dazu: 2x Reihe 5 im Markgräflichen Opernhaus in Bayreuth. “L `Huomo” - der Mensch, ein Schauspiel über Tugenden und Laster und Liebe und Vernunft. Der Termin liegt Anfang Oktober.

“Wir müssen reden”, sagte ich vergangenen Sonntag und machte eine bedeutungsschwangere Pause. Denn der Termin Anfang Oktober war auf einmal nicht mehr sicher. Ich hatte eine Einladung zu einem anderen sehr verlockenden Event. Vielleicht könnten wir die Karten für die Oper der Wilhelmine umtauschen, überlegte ich. Und hatte dabei ein leicht unwohles Bauchgefühl. Kopf meldete an Bauch: das geht. Bauch meldete an Kopf: mach es nicht. Die Entscheidung sollte ich alleine treffen, Platz dreizehn wollte sich da nicht einmischen.

Das Ergebnis habe ich nun musikalisch auf den Weg geschickt: Ein Silberling übermittelt die Entscheidung, die ich mir abgerungen habe. “Irgendwas bleibt” - und die Karten werden nicht umgetauscht. Es fühlt sich gut an.

04.03.09: Sich entscheiden: wider den guten Erinnerungen

“Du zauderst”, sagte mein Mann gestern Abend zu mir. Schräg von der Seite schaute er mich an und versuchte, meine Mimik und Gestik nachzuahmen. Demnach hatte ich also die linke Hand fest zur Faust geschlossen und die Knöchel der Finger hart gegen die Lippen gepresst. Die Augen starrten weit aufgerissen ins Nichts und die Stirn lag in Falten. Seine Stirn legt sich in Querfalten und meine schiebt sich hochkant zusammen, das weiß ich. Manchmal kann ich über solche Eigenheiten herzhaft lachen. Gestern ging das nicht. Mir steckte ein dicker Kloß im Hals.

Ich hatte das Laptop auf den Knien und wir haben beide zusammen eine Mail geschrieben. Eine Sache, der wir und die Kinder eng verbunden waren, hatte sich verändert. Nun werden wir uns dem entziehen und ich kämpfte mit mir, ob ich nicht kurz vor dem absenden der E-Mail einlenken und alles löschen sollte. In mir stritten die Erinnerungen, die ich auf irgend eine Art wiederholen wollte mit der Enttäuschung, die ich nicht wahr haben wollte. Ich zauderte wegen der undefinierbaren Hoffnung, die ich zu haben glaubte und ließ mich an einen Vers aus dem Fasten-Kalender erinnern: “Wir brauchen nicht zu lernen, wie wir Dinge loslassen können. Wir müssen einfach nur lernen, es zu erkennen, wenn sie fort sind."

Ich kreiste noch zwei mal mit der Maus über den “Senden”-Button. Dann schickte ich ab.

01.03.09: Sich entscheiden: sind wir nicht allein bisschen Jury?

Samstag Abend, Viertel nach Acht. In Millionen Haushalten laufen die Fernsehapparate und ich fahre von einem Autorenseminar nach Hause. Ich schleiche hundert Kilometer fern der Heimat bei einer Sichtweite von unter fünfzig Metern. Meine Große sitzt schon im Schlafanzug und mit einer Tüte Gummibärchen vor dem Fernseher. Sie schaut DSDS. Fein säuberlich notiert sie in Drittklässler-Schönschrift welcher Kandidat ihrer Meinung nach weiter kommen sollte. “Weiter“ steht hinter ihren Favoriten, “nicht“ steht hinter den anderen.

“Hallo Mami, er war noch nicht dran, er kommt als letzter” ruft sie in den Flur, als mein Schlüssel endlich im Türschloss dreht. Gemeint ist Holger Göpfert. Für ihn entschieden wir uns sehr früh als einen der Top-Ten-Kandidaten. Er passt in keine Schublade. Er dreht voll auf und macht einfach sein Ding. Das gefällt uns. “Ein bisschen wie Joe Cocker auf Speed” urteilte die Fach-Jury nach dem Hammer-Auftritt von “Oh Darling“, das im Original von den Beatles gesungen wurde. “Der geht ab wie Schmidt´s Katze” entschied meine Tochter. Nach der Performance lachten wir und klatschten uns die Fünf in die Hand.

Dann wickelte sie sich neben mir aus der Decke und holte das Telefon. Ob sie den Anruf von ihrem Taschengeld bezahlen muss, wollte sie wissen. Nein, sagte ich, das geht aufs Haus. Ihre Solidarität machte mir Spaß. Sie rief für Holger Göpfert an und ging ins Bett. Dass er “weiter” kommen würde, war ihr klar. Wir hatten ja entschieden ;o) Gut eine Stunde später waren vom Publikum tatsächlich weiter gewählt: ein James-Blunt-Imitator, eine rosa gekleidete zuckersüße Schlagersängerin und eine Frau, die wegen DSDS ihren Verlobten abblitzen ließ. Außerdem Daniel, von dem man nicht sehr viel weiß und, last but not least: Holger!

Über die weiteren Kandidaten entschied die Promi-Jury.

26.02.09: Neues von der LEGO-Front: Entschieden gegen den Messie im Kinderzimmer

Heute habe ich entschieden die Kinderzimmer auszumisten. Es sind Ferien, das Wetter ist schlecht und die Bude sieht aus wie Bombe. Drei Kisten habe ich den Kindern aufgestellt. Eine für “behalten”, eine für “verschenken” und eine für “wegwerfen”. Jedes Teil sollte kurz begutachtet und dann spontan zugeordnet werden. Meine Wunschvorstellung hätte ein Verhältnis von 3:2 für die Weg-Werf-Kiste vorgesehen. Anfangs ging das gut und wir arbeiteten effizient. Doch das 250-Teile-Schlümpfe-Puzzle störte den Arbeitsablauf nachhaltig. Mit den letzten gefundenen Teilen von weißen Mützen und blauen Nasen war die Luft raus und der Spieltrieb kam durch.

Letztendlich saß ein halbabgewetzter Seeräuber auf dem Dach eines architektonisch äußerst interessanten Hauses. Gebaut wurde es aus historisch nicht eindeutig nachweisbaren Holzklötzen, Lego-Steinen und Janosch-Lotto-Kärtchen. Aus dem verwegenen Seeräuber von einst muss in den letzten Monaten der “Chef der Wilden 13” geworden sein. Und er hat eine besondere Fähigkeit erworben: er kann jetzt Geige spielen. So sitzt der Fiddler nun auf dem schrägen Lego-Dach und fiedelt “Anatevka”. Weltberühmt!

Fazit: meine Wunschvorstellung war unrealistisch und ich habe nachgegeben. Die Kinder entschieden anders. Verschenkt wird gar nix und weggeworfen nur wenig. Dafür wurde ich um eine (fast) bühnenreife Vorstellung reicher. Das neu errichtete “Opernhaus” ist statisch so ausgerichtet, dass es beim nächsten Mal Staub saugen vermutlich einstürzen wird. Aber immerhin sind ein paar Seeräuber, Puppen und Opernsänger momentan nicht obdachlos.

25.02.09

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nun läuft er also, mein Fasten-Blog