
Voller Geigen hängt der Himmel im Leben von Tamara Hinz nicht. Sie ist Mitte 40 und die vier im Haushalt lebenden Teenager setzen zum Sprung in das Erwachsenenleben an. Über ein Jahr lang darf der Leser die Höhen und Tiefen in ihrem Leben als Ehefrau und Mutter in ihrem Tagebuch nachlesen: launisch, manchmal ausgelassen fröhlich und dann wieder wütend und depressiv.
Durch die Alltags-Stolpereien hindurch verfolgt sie ihre festen Grundsätze. Gesunde Grenzen zu setzen, auch mal “Nein” zu sagen und die Balance der eigenen Mitte zu finden. Die Antwort auf die Frage, warum sie mit diesen teils sehr persönlichen Geschichten an die Öffentlichkeit geht, gibt sie gleich selbst: Sie will dem normalen Leben eine Bühne geben. Auf dieser Bühne tummeln sich allerlei Gedanken und Gefühle, die sie teils wochenlang mit sich schleppt und manchmal verwirft. Manchmal kann sie aber auch die Auflösung eines Gefühlsknotens feiern.
Ohne Tabus berichtet die Autorin davon, manchmal lieber Astronautenfrau als Pfarrfrau sein zu wollen. Denn das All ist weit weg. Ebenso ungeschminkt schildert sie das nervenaufreibende Gezeter mit den pubertierenden Jugendlichen. Völlig überdreht wirkt eine Begegnung mit zwei alten Damen, die sich mit Wellness-Marmelade stimulieren. Und besonders rustikal erlebt der Leser den Tagebucheintrag über eine Blasenspiegelung.
Schonungslos stürzt man von einer Situation in die Nächste, von bewegenden Momenten in den lahmen Alltag. Von aufgewühlten, nachdenklichen in befreite Seelenzustände. Die meisten Momente der Pfarrfrau sind vom Gemeindeleben geprägt. Und von ihrer Rebellion gegen die (immer noch) allzu frommen Phrasen in Gemeinden.
Besonders lesenswert sind die “Spaziergänge mit Jesus“. Tamara Hinz schleicht Jesus in die biblischen Geschichten hinterher, setzt sich mitten in die Szenen und beobachtet in ihrer Fantasie die Charaktere, die darin eine Rolle spielen. Das bringt sie weiter.
Alle ihre Erlebnisse sind sprachlich originell verpackt. Und am Ende ist es gut, dass sie ihre eigenen Gedankenstaus, Wutausbrüche und Versöhnungsorgien zu Papier gebracht hat. Sehr gut!
(jesus.de)
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