Es gibt Geschichten, die schreibt man am besten in der Nacht. Noch besser nach einem Theaterabend. Und am allerbesten im diffusen Licht einer neu erworbenen Stehlampe. Sie hat ihren Platz noch nicht gefunden und steht genau an dem Punkt, an dem das Kabel endet. Es liegt gewollt in einer Schlaufe. Das mattierte Gestell der Lampe ist größer als ich und wirft aus einem halbschalen milchigen Glas das Licht an die Decke.
“Da leugnete Petrus abermals und alsbald krähte der Hahn”
In ungesunder Körperhaltung hänge ich quer im Sessel schlage Johannes 18 auf. Gerade so, dass ich noch zur Erdnussdose langen kann.
“Da führten sie Jesus von Kaiphas zum Prätorium” Also zu Pontius Pilatus.
(btw: ich habe vorhin im Theater das Pilatus-Evangelium gesehen; mit einer miserablen Königin Herodias und dem hinreißenden Jürgen Clemens in der Rolle des Jeschua in der 1. Szene, “Die Nacht der Ölbäume”) Aber zurück zu Pilatus: wie hat er diese weltbewegende Entscheidung getroffen?
Ich nehme eine Handvoll Erdnüsse und zerbeiße jede einzeln. Meine Gedanken purzeln dahin: Ein Mann ohne Anklage und ohne Schuld wird dem römischen Präfekt vorgeführt. Denn sie selbst, die Juden, dürfen niemanden töten. Pontius wird beschrieben, als ginge er häufig hinaus und hinein. Er wirkt unruhig. Unentschlossen. Er fragt Jesus selbst, was er getan habe. “Mein Reich ist nicht von dieser Welt”, sagt er. Pilatus unterbricht ihn nicht. Erst später fragt er nach, als Jesus sagt: “Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme”
“Was ist Wahrheit?” fragt Pilatus. Und, als würde ich Johannes 18 zum ersten Mal lesen, glaube ich für einen kurzen Moment tatsächlich, Jesus antwortet darauf. Ich bin wütend auf Pilatus. Er ist wieder nach draußen gegangen - und die Antwort bleibt offen.
Pilatus kommt alleine nicht weiter. Er fragt die anderen: das Volk. Und die wollen den Räuber Barabbas. “Weißt du nicht, dass ich Macht habe, dich loszusagen, und Macht habe, dich zu kreuzigen?” Pilatus ist versucht Jesus zu beschwichtigen. Diese Macht, von der er redet, gebraucht er nicht. Pilatus müssen die Knie gezittert haben, als Jesus sagte, er habe die Macht, die ihm von oben gegeben sei. Der andere, der ihn überantwortet hat, habe die größere Sünde. Pilatus ist daran gelegen, Jesus frei zulassen. Doch seine Entscheidung setzt er nicht um. Er übergibt Jesus den Soldaten, dass er gekreuzigt würde.
Ich kenne keine ähnlich folgenschwere Entscheidung. Hahnebüchern die Hände in eine Wasserschüssel getaucht: “Ich bin unschuldig an seinem Blut, seht ihr zu!“
Ich hätte auch die Finger davon gelassen.
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