07.11.09

23.03.09 Sich entscheiden: Den Absprung schaffen


Um 17:28 Uhr trifft Lea eine Entscheidung: Sie will weiter üben. Bis sie das kann. Am kommenden Sonntag ist ein Wettkampf im Geräteturnen. Die Anforderungen sind diesmal hoch, denn sie muss einen Bocksprung mit Durchhocken schaffen. Alle Kinder, bis auf Lea und ihre Freundin, spielen am anderen Ende der Turnhalle. Noch zwei Minuten und das Training ist vorbei. Anja, die Freundin, springt ein ums andere mal federleicht über den Bock. Sie holt tief Luft, streckt die Arme nach oben, spreizt die Füße ab und nimmt Anlauf. Das Sprungbrett kracht hart gegen den Boden, als sie genau auf der Linie abspringt, den Schwung gekonnt nutzt und auf der anderen Seite des Bocks die Arme wieder hoch streckt.

Dann kommt Lea. Sie atmet hastig, reibt sich fahrig die Hände und vergisst die Streckung. Das Sprungbrett trifft sie ungenau. Auf dem Bock rutscht sie ab, bessert nach und landet unelegant auf dem Weichboden. Parallel zu dem Bock stehen Eltern, die ihre Kinder abholen wollen. Darunter auch ich. Lea, die am Sonntag beim Wettkampf mitmachen will, kenne ich gar nicht. Aber ich drücke ihr die Daumen, dass sie es noch einmal versucht - und die Übung gelingt.

Sie rappelt sich von der Matte auf, zieht ihre Turnhose hoch und stellt sich wieder an. Sie will. Unbedingt. Die Konzentration verzerrt ihr Gesicht. Sie nimmt Anlauf, springt ins Brett - und 2 mm fehlen. “Versuche es noch einmal!” ruft jemand aus der Gruppe der wartenden Eltern. Vielleicht ist das ihr Vater. Auch andere machen ihr Mut: “Lea, probier das noch einmal, du schaffst das!” Die Trainerin gibt nach und Lea eine letzte Chance. “Lea!” stößt ihr jemand kurz und mit viel Kraft entgegen, als sie mit dem linken Fuß zuerst Anlauf nimmt. Sie beißt die Zähne zusammen und hat den Mund leicht geöffnet. Das Kinn hält sie etwas höher als bei den vorherigen Sprüngen. Mit jedem Schritt wird sie schneller. Schiebt energisch mit den Armen, kommt gut auf das Brett und zum allerersten Mal über den Bock. Sie dreht sich um und sieht ihn hinter sich. Etwas zittrig hält sie eine Hand vor den Mund und blickt dann erst zu uns, die ihr zugeschaut haben. Dann lacht sie. Der Mann, der vor 10 Sekunden ihren Namen gerufen hat, nimmt sie in den Arm. Ob Lea am Sonntag den Sprung über den Bock schafft, das weiß man noch nicht. Aber das ist jetzt auch nicht wichtig.

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